Corona und der Feminismus

Man würde denken, vor einem Virus wie Corona sind wir alle gleich. Tatsächlich ist das nicht der Fall. Gesundheitlich scheinen Männer schwerer von dem Virus getroffen zu werden; woran das liegt (beispielsweise häufigeres Rauchen in einigen der betroffenen Regionen), ist noch nicht ganz klar.

Klar ist dagegen, dass die gesellschaftlichen Folgen uns Frauen besonders hart treffen.

Ansteckungsgefahr in systemrelevanten Berufen

Zurzeit sind es Frauen, die unsere Gesellschaft am Laufen halten. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO besteht der Gesundheitssektor zu 70 % aus Frauen. Ebenso sind unter Kassiererinnen* und Erzieherinnen mehr Frauen zu finden. Diese Menschen können nicht im Home Office bleiben, sondern müssen neben ihren ohnehin herausfordernden Jobs mit einer hohen Ansteckungsgefahr rechnen.

Herausforderung Kinderbetreuung

Die Kinderbetreuung liegt auch in Nicht-Corona-Zeiten häufig zu einem höheren Anteil bei uns Frauen. Wegen der geschlossenen KiTas und Schulen müssen Kinder rund um die Uhr betreut werden; von Betreuung durch Babysitter, Freundin oder Nachbarin wird abgeraten. Auch die sonstige Care-Arbeit steigt: pflegebedürftige Verwandte, Nachbarinnen oder Freundinnen wollen versorgt werden. Auch diese zusätzliche Pflege- und Erziehungszeit wird zu einem Großteil von den Frauen übernommen.

Hierbei greifen die altbekannten Muster: Der (meist männliche) Hauptverdiener konzentriert sich auf den Job, die (meist weibliche) Nebenverdienerin in Teilzeit oder Mini-Job fängt die Kinderbetreuung auf.

Alleinerziehende, von denen mehr als 90 % Frauen sind, sind besonders hart davon getroffen, dass die Kinderbetreuung wegfällt.

Gefahr durch Kurzarbeit

Kurzarbeit ist ein Weg, damit Unternehmen Mitarbeiterinnen nicht entlassen oder unbezahlt freistellen müssen, sondern sie mit verringertem Gehalt weiterhin beschäftigen können. Das Kurzarbeitergeld beträgt im Normalfall zwischen 60 % und 67 % des vorherigen Netto-Gehalts.

Stell dir einmal vor, du müsstest für eine nicht absehbare Zeit mit 60 % deines jetzigen Gehalts auskommen. Klar, dass das für Gutverdienerinnen leichter ist als für weniger gut verdienende Menschen. Und unter den Gutverdienerinnen finden sich mehr Männer als Frauen.

Außerdem haben Mini-Jobber keinen Anspruch auf Kurzarbeit, was uns zum nächsten Punkt bringt:

Jobunsicherheit

Neben der wachsenden Verantwortung für Care-Arbeit, verlieren Frauen in Krisen häufiger den Job. Neben Mini-Jobs und Teilzeitkräften landen Menschen im informellen Sektor – nicht angemeldete Reinigungskräfte, um nur ein Beispiel zu nennen – besonders schnell in der Arbeitslosigkeit. Wenn nach einer Krise die Wirtschaft erst zögerlich wieder neu einstellt, haben Frauen es dagegen besonders schwer, wieder einen Job zu finden.

Häusliche Gewalt

Und ein weiteres Thema betrifft Frauen häufiger als Männer: Häusliche Gewalt. Es wird befürchtet, dass die Quarantäne schlimme Auswirkungen haben wird:

Zum einen führen die soziale Isolation und der enge Raum, in dem wir uns momentan bewegen, zu mehr Aggressionen. Verstärkt wird diese Tendenz durch Stress und finanzielle Unsicherheit. Gleichzeitig haben die Opfer von häuslicher Gewalt kaum Möglichkeiten, unbemerkt Hilfe zu suchen. Die Opfer sind in den überwiegenden Fällen Frauen oder Kinder.

Corona diskriminiert nicht, …

… aber es verstärkt diskriminierende Strukturen. Frauen sind nur ein Teil davon; neben Sexismus nehmen auch Rassismus und Klassismus in der derzeitigen Situation tendenziell zu. Es ist also wichtiger denn je, uns um einander zu kümmern und unsere Unabhängigkeit zu wahren.

*Wegen der besseren Lesbarkeit nutze ich nur die weibliche Form. Männer sind natürlich mitgemeint.

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2 Replies to “Corona und der Feminismus”

  1. Christina

    Zitat *Wegen der besseren Lesbarkeit nutze ich nur die weibliche Form. Männer sind natürlich mitgemeint

    endlich schreibt das mal eine Frau in der Öffentlichkeit.

    Danke! Christina

  2. Gisela Bergenthal

    Liebe Claudia, ich hoffe, dass das ganz viele Leute lesen, die es nicht eh schon wissen. Wenn jetzt die Arbeitslosigkeit auch wieder höher wird, wird der Femninismus herbe Rückschläge erleiden, fürchte ich. Umso mehr braucht es Frauen, die die Dinge auf den Punkt bringen.
    Danke

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