ETF-Entnahme clever gestalten: Die wichtigsten Stellschrauben für weniger Steuerlast 

Wer im Alter entspannt von seinem ETF-Vermögen leben möchte, sollte sich nicht nur auf Kursgewinne verlassen – sondern auch auf Wissen. Denn wie viel von deinen Erträgen am Ende wirklich bei dir bleibt, hängt vor allem von zwei Dingen ab: Deiner Entnahmegeschwindigkeit und deiner Steuerstrategie ab. 
Die gute Nachricht: Du kannst so einiges optimieren, dafür musst du nur wissen, an welchen Stellschrauben du drehen kannst. 

1. Stufenweise Entnahme – in der Ruhe liegt die Kraft 

Mit 66 Jahren… da brauchst du einen Teil deines angesparten Geldes. Mit 70 den nächsten Teil. Und mit 75. Und mit 80. Und mit 85… Wichtig ist: Nimm nur das Geld aus deinem Depot, das du in den nächsten 5 – 10 Jahren brauchst, und lass den Rest investiert. Während du deinen Ruhestand genießt, darf sich dein Geld gerne weiter für dich vermehren! Damit verlängerst du deinen Investitionshorizont locker um 15 Jahre.  

1. Freistellungsauftrag – der erste Puffer gegen die Steuer 

Dein Freistellungsauftrag sorgt dafür, dass Kapitalerträge bis zur Höhe des Sparerpauschbetrags (aktuell 1.000 € für Einzelpersonen, 2.000 € für Paare1) steuerfrei bleiben. Wer diesen Freibetrag clever verteilt – etwa auf mehrere Banken oder Depots –, kann unnötige Steuerabzüge vermeiden und so effektiv mehr Nettoertrag behalten. Wobei im Idealfall die Gewinne auf deinem Altersvorsorgedepot irgendwann ohnehin den Steuerfreibetrag übersteigen werden, denn bei 5 % Gewinn im Jahr reichen 50.000 € in deinem ETF-Depot, um über die Grenze zu kommen. Es kann daher also sinnvoll sein, den ganzen Freibetrag in deinem „großen“ Depot zu nutzen.  

Tipp: Überprüfe regelmäßig, ob dein Freistellungsauftrag noch zu deiner aktuellen Investitionssituation passt. Am besten mindestens einmal im Jahr (vielleicht zusammen mit dem jährlichen Rebalancing?) checken. 

2. Vorabpauschale – kleine Steuer, großer Effekt

Bei thesaurierenden ETFs fällt jährlich eine Vorabpauschale auf fiktive Erträge an. Sie soll verhindern, dass Anlegerinnen* Erträge dauerhaft „aufschieben“. Diese Steuer lässt sich nicht vermeiden, aber beeinflussen: 
Auch wenn du nicht in ausschüttende Anlagen investierst, achte darauf, dass dein Freistellungsauftrag auch für thesaurierende Anlagen ausreicht bzw. dein Verrechnungskonto ausreichend gedeckt ist, wenn dein Freibetrag schon ausgeschöpft ist. Die Vorabpauschale berechnet sich nach dem Zinsniveau am Jahresanfang (15jährige Bundesanleihen). Besonders in Jahren mit schwacher Zinsentwicklung fällt die Vorabpauschale allerdings gering aus oder gar nicht erst an. Damit ist der Steuerstundungseffekt trotzdem gegeben, wenn die Zinsen niedriger sind als deine Kursgewinne.

3. FIFO, LIFO & Co. – wann Steuern wirklich fällig werden 

Beim Verkauf von ETF-Anteilen gilt in Deutschland das FIFO-Prinzip („first in, first out“): Die ältesten Anteile werden zuerst verkauft. Damit realisierst du meist die höchsten Kursgewinne – und das triggert auch die höchste Steuerlast. 
Wenn du deine Investments jedoch gestaffelt auf verschiedene ETFs oder Depots verteilst, kannst du die steuerliche Reihenfolge beeinflussen und Steuerzahlungen zeitlich strecken. Es geht also nicht darum, Steuern zu vermeiden, sondern den Zeitpunkt klug zu steuern. Hier kannst du mehr dazu lesen.

4. Gestaffelte ETF-Investments – Flexibilität schaffen 

Eine besonders elegante Lösung: etwa alle zehn Jahre einen neuen ETF-Sparplan eröffnen. So entstehen klare Kaufzeitpunkte mit unterschiedlichen Anschaffungswerten. Willst du diese Lösung innerhalb eines einzigen Depots realisieren, achte auf verschiedene WKN-Nummern bei den ETFs. Hast du mehrere Depots, kannst du auch mehrfach in denselben ETF investieren. 
In der Entnahmephase kannst du dann entscheiden, aus welchem „Topf“ du verkaufst – und vermeidest es, immer die „fetteste Gans zu schlachten“, also gerade jene Anteile mit den größten stillen Gewinnen (und somit der höchsten Steuerlast). 

5. Zweitdepot und Verlustverrechnung – taktisch denken lohnt sich 

Ein Zweitdepot kann helfen, ältere und jüngere ETF-Bestände zu trennen. Dadurch lässt sich gezielter steuern, welche Anteile du wann verkaufst. 
Außerdem wichtig: Verlustverrechnungstöpfe. Realisierte Verluste können mit Gewinnen verrechnet werden – das reduziert unmittelbar deine Steuerlast. Wer regelmäßig überprüft, ob Verluste erfasst und verrechnet wurden, nutzt alle Vorteile des Steuersystems aus. 

6. Nichtveranlagungsbescheinigung – steuerfrei bei geringem Einkommen 

Für Menschen mit geringem Einkommen, etwa in der frühen Rente, kann eine Nichtveranlagungsbescheinigung interessant sein. Sie hebt die Steuerpflicht auf Kapitalerträge auf, solange das Gesamteinkommen unter aktuell geltenden Grundfreibetrag liegt. So bleiben ETF-Erträge für diesen Zeitraum komplett steuerfrei. 

 
Steuern lassen sich nicht vermeiden – aber gestalten! Indem du deine ETF-Investments strategisch clever strukturierst und frühzeitig planst, kannst du Steuerzahlungen zeitlich steuern, Freibeträge optimal nutzen und langfristig mehr Vermögen aufbauen.  

 
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4 Replies to “ETF-Entnahme clever gestalten: Die wichtigsten Stellschrauben für weniger Steuerlast ”

  1. Gisela Bergenthal

    Hallo, ich habe das Gefühl, im Moment nichts kapiert zu haben – also nochmal gründlich lesen – danke sehr für den Denkanstoß!
    Liebe Grüße,
    Gisela

  2. Isabel, Female Finance Forum

    Liebe Gisela,

    wir hoffen, dass beim nochmaligen Durchlesen einiges klarer geworden ist. Falls nicht, frag’ gerne nach! Du musst dich aber auch nicht allzu sehr stressen: Buy & Hold bleibt die beste Strategie auch ganz ohne Steueroptimierung.

    Liebe Grüße
    dein 3f-Team

  3. Patricia

    Wie schön wäre es, wenn man sich die ganzen Anträge und Jonglage sparen könnte und das Finanzamt einen vorteilhaft besteuern würde 🫩
    SciFi?

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