Who Cares?

Frauen bekommen in Deutschland 18 % weniger Gehalt als Männer (Quelle: Statistisches Bundesamt). Das ist die Gender Wage Gap, die geschlechterspezifische Lohnlücke.

Was dabei häufig unbeachtet bleibt: Die 18 % weniger Gehalt bekommen wir pro Stunde. Diese Lücke müssen wir dann noch mit Teilzeit multiplizieren. Denn die Arbeit, die wir in unserer Freizeit verrichten – Kinderpflege, Altenpflege, Ehrenamt – wird leider nicht bezahlt.

Die internationale Entwicklungsorganisation Oxfam zeigt in dieser beeindruckenden Grafik, welcher Anteil der Arbeit bezahlte Erwerbstätigkeit ist, und welcher Anteil unbezahlte Arbeit ist. Dabei wird deutlich: Frauen arbeiten im Schnitt mehr, werden aber deutlich weniger dafür bezahlt.

Auch in Deutschland gibt es eine Gender Care Gap. Im Zweiten Gleichstellungsbericht schreibt die Bundesregierung, dass die Gender Care Gap 52,4 % beträgt. Heißt: Frauen leisten 52,4 % mehr unbezahlte Sorgearbeit als Männer. Männer arbeiten im Schnitt pro Tag zwei Stunden und 46 Minuten unbezahlte Sorgearbeit, bei Frauen sind es vier Stunden und 13 Minuten. Wenn Kinder im Haushalt leben, ist diese Lücke besonders ausgeprägt; daher besteht die größte Lücke bei 34jährigen Frauen.

Das Problem daran ist nicht per se, dass Frauen mehr arbeiten als Männer. Das Problem liegt darin, dass diese Arbeit unbezahlt ist. Sie führt zu

  • finanzieller Abhängigkeit: Wer unbezahlt Sorgearbeit verrichtet, kann in dieser Zeit keinen Job machen, der ein Gehalt einbringt.
  • schlechten Karrierechancen: In Deutschland haben Menschen, die 100 % (oder auch gerne 120 %) erwerbstätig sind, bessere Karrierechancen als Menschen, die in Teilzeit angestellt sind. Dienstreisen und spontane Nachtschichten sind förderlich für die Karriere, aber mit direkter Care-Arbeit nur schwer zu kombinieren.
  • schlechter Konzentration: Der “Mental Load”, die Verantwortung für Haushalt und Familie, führt dazu, dass Frauen viel mehr Bälle jonglieren müssen. Dadurch machen sie häufiger Fehler bei der Arbeit und sind häufiger gestresst, weil sie immer Zeitdruck haben, noch etwas erledigen zu müssen.
  • Altersarmut: Unbezahlte Arbeit zahlt nicht in die Rentenkasse ein; Mütter sind deutlich häufiger von niedrigen Renten und Altersarmut betroffen als Väter oder Menschen ohne Kinder.

Who Cares?

Die App Who Cares? macht genau diese unbezahlte Arbeit sichtbar, indem sie ihr ein (fiktives) Gehalt gibt: Du kannst eintragen, wie viele Minuten du für Kochen, Einkaufen, Pflege oder andere Aufgaben gebraucht hast. Die App zeigt dir dann auf, welches Gehalt du für diese Arbeit bekommen würdest, abhängig von deinem Stundenlohn: Mindestlohn, Durchschnittsgehalt oder dein eigenes Gehalt (das du in die App eintragen kannst).

Es zeigt auf, welches Gehalt du eigentlich bekommen müsstest, wenn du für diese Arbeit bezahlt werden würdest.

Andersherum kannst du dir damit vor Augen führen: Wenn du diese unbezahlte Arbeit deligierst (z.B. an eine Reinigungskraft oder eine Haushaltshilfe) und stattdessen zu deinem Stundenlohn erwerbstätig bist, hast du viel Geld, das du nutzen kannst, um jemand anderes angemessen dafür zu bezahlen.

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5 Replies to “Who Cares?”

  1. Viola

    Guten Morgen liebe Claudia, danke für den Artikel. Ich habe die App gerade heruntergeladen und hoffe, dass sie mir bei der Entscheidungsfindung zum Thema Haushaltskraft helfen wird. Einen kritischen Kommentar/Nachfrage habe ich aber zum Thema Mental Load: Ich hatte bisher immer die Argumentation verfolgt, dass Mütter in Teilzeit viel effizienter und fokussierter arbeiten. Sie gefällt mir eigentlich auch besser als uns als unzuverlässig und fehleranfällig zu sehen. Welche der Narrativen ist es denn nun? Ich für mich kann sagen, dass ich mich in der ersten Narrative sehe und keine Probleme mit Mental Load habe. Der Nachteil ist nur, dass konstante Effizienz und Fokus – bei mir – zu weniger Kreativität führen. Mal „mit Muse“ über etwas nachdenken ist kaum möglich.

    • Claudia, Female Finance Forum

      Liebe Viola,
      danke für deinen Kommentar!
      Mental Load ist wie ein Kippelement: Bis zu einem gewissen Grad führt es zu Effizienzsteigerung und optimaler Organisation. Das ist genau der Aspekt, den du beschreibst.
      Aber wenn ein gewisser Punkt überschritten wird – wenn zu viele Bälle in der Luft sind – kann es zu einer Überlastung kommen und alle Bälle fallen auf den Boden.
      Wann dieser Kipppunkt erreicht ist, hängt stark von individuellen Faktoren, Unterstützung des Umfelds etc. ab.

  2. Natalie

    Liebe Claudia,

    ich habe mir dein Buch gekauft und es an einem Tag gelesen. Danke nochmal für die ISINs für die nachhaltige Geldanlage.
    Ich habe bereits 10 000 Euro in ETFs und Gold investiert. Es fühlt sich gut an, in die eigene Altersvorsorge zu investieren. Das kann ich nur bestätigen.
    Ich gehöre auch zu den Frauen, die in Teilzeit wegen des Kindes arbeiten, aber es kommen bessere Zeiten. Mein Sohn ist mittlerweile 16 und ich gehe in einem Jahr wieder in Vollzeit, um Rente und Ersparnisse aufzubessern.
    Ich würde mich gern mit anderen Frauen über Finanzen austauschen. Deswegen habe ich mich für deinen Newsletter angemeldet.

    Viele Grüße,
    Natalie

    • Claudia, Female Finance Forum

      Liebe Natalie,
      vielen Dank für deinen Kommentar! Wie schön, dass mein Buch hilfreich ist.
      Das klingt, als wärest du auf einem guten Weg. Weiter so! Schritt für Schritt in die richtige – deine – Richtung. Ich freue mich, dass ich ein Teil deiner Reise sein darf.
      Viele Grüße,
      Claudia

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