Hebelprodukte – Wenn der Turbo nach hinten losgeht

In der letzten Zeit wurden wir öfters auf Hebelprodukte angesprochen. Hebelprodukte klingen im ersten Moment vielleicht verlockend: Mit wenig Einsatz große Gewinne erzielen – und das möglichst schnell. Doch der Schein trügt, denn hinter diesen Produkten stecken hohe Risiken, enorme Verlustraten und oft sogar die Gefahr, mehr zu verlieren, als man eingesetzt hat. Wer in kurze, knackige Worte gefasst verstehen möchte, warum Hebelprodukte nichts für den langfristigen Vermögensaufbau oder die Altersvorsorge sind, ist hier richtig. 

Was Hebelprodukte tun – und wie sie funktionieren 

Ein Hebelprodukt verstärkt die Kursbewegung eines Bezugswerts wie einer Aktie, eines Index oder einer Währung. Mit einem Hebel von 5 gewinnt oder verliert das Produkt etwa das Fünffache dessen, was der Basiswert macht: Ein Kurs plus 2 Prozent beim MSCI World bedeutet ein Plus von rund 10Prozent beim Hebelprodukt, ein Minus von 2 Prozent dementsprechend einen Verlust von 10 Prozent. Der Hebel multipliziert Chancen und Risiken gleichermaßen.  

Typische Hebelprodukte sind Knock-out-Zertifikate, Optionsscheine oder CFDs (Contracts for Difference). Besonders risikobehaftet sind Produkte mit Nachschusspflicht wie viele CFDs: Dort kann im schlimmsten Fall nicht nur das eingesetzte Geld verloren gehen – es muss sogar nachgezahlt werden, falls die Verluste größer als das Guthaben ausfallen. Das kann bis zur Verschuldung führen. Bei Knock-out-Zertifikaten verliert man zwar maximal den Einsatz, doch schon das bedeutet einen Totalverlust, wenn die Kursbarriere gerissen wird.  

Warum Verluste besonders weh tun 

Mathematisch wirken sich Verluste bei Hebelprodukten besonders stark aus. Wer 50 Prozent seines Einsatzes verliert, braucht anschließend 100 Prozent Gewinn, um allein wieder auf den Ausgangswert zu kommen. Durch den Hebel multiplizieren sich diese Effekte: Bereits kleine Verluste im Basiswert können beim Hebelprodukt zu massiven Einbußen führen, die oft kaum noch aufholbar sind. Zusätzlich frisst der sogenannte Volatility Drag („Schwankungsverlust“) die Rendite auf: Gerade bei gehebelten ETFs führt seitliche oder schwankende Entwicklung des Basiswerts auch ohne Trend zu Verlusten. In Zahlen: Die Mehrheit macht Verluste. 

Studien der BaFin zeigen: Nahezu drei Viertel (74 Prozent) aller Privatanlegerinnen* verlieren mit Hebelprodukten wie Turbo-Zertifikaten Geld – und das im Durchschnitt sogar 6.358Euro pro Kopf.1 Insgesamt entstanden zwischen 2019 und 2023 durch Hebelprodukte Verluste von mehr als 3,4Milliarden Euro. Besonders auffällig: Wer häufig handelt, verliert besonders viel – bei Daytraderinnen mit vielen Transaktionen liegt die Verlustrate sogar über 90 Prozent.  

Hebelprodukte sind eben kein „Insider-Geheimtipp“, sondern ein Spiel mit sehr ungleichen Chancen. Die Anbieterinnen verdienen an Transaktionen, aber Privatanlegerinnen zahlen fast immer drauf.  

Und selbst die seltenen Erfolgsgeschichten bestätigen eher die Regel: Finanzblogger Luis Pazos etwa berichtete in seinem Newsletter vom 14.10.25 von einem einmaligen Glückstreffer: Eine kleine Hedge-Position in seinem Depot schoss an einem einzigen Handelstag um über 23.000 Prozent nach oben. Doch er selbst weist darauf hin, dass solche Ausreißer nicht planbar sind, sondern pures Glück – und dass ihnen meist lange Durststrecken voller Verluste gegenüberstehen. 

Altersvorsorge? Ein klares Nein! 

Für die Altersvorsorge sind Hebelprodukte völlig ungeeignet. Sie sind extrem risikoreich, bergen die Gefahr enormer Verluste bis hin zur Nachschusspflicht, sind keine Sondervermögen und bieten auch keine Planungssicherheit. Schwankungen, Unsicherheit und psychologische Belastungen machen sie für den langfristigen Vermögensaufbau zum absoluten No-Go. Mit Hebelprodukten verhält es sich wie mit der chaotischen On-Off-Beziehung, die wir alle persönlich oder aus dem Umfeld kennen: große Versprechungen, wilde Achterbahnfahrten – und am Ende bleibt meist mehr Schmerz als Freude. Und das willst du sicherlich weder privat noch finanziell!

Fazit: Nur mit Spielgeld! 

Hebelprodukte sind Nervenkitzel pur und können für Abenteuerlustige mit „Spielgeld“ einen gewissen Reiz haben. Wer aber Vermögen aufbauen oder vorsorgen will, sollte die Finger davon lassen. Hier gilt: Wer zu viel hebelt, riskiert, alles zu verlieren oder sogar Schulden zu machen. Für die Altersvorsorge zählen die grundlegenden Investorinnen-Qualitäten: Geduld, Ruhe, Sicherheit. Und dafür gibt es weitaus bessere und risikoärmere Alternativen. 

 

* Wegen der besseren Lesbarkeit benutzen wir nur die weibliche Form. Alle Menschen sind explizit mitgemeint.

1 https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Fachartikel/2025/Studie_250521_Turbo_Zertif

 
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