Neue Koalition, neues (Finanz-)Glück?
Die Koalitionsverhandlungen sind abgeschlossen, Ministerien wurden neu verteilt (and the Finanzministerium goes to…SPD!) oder zusammengelegt (Tschüss BMFSFJ!). Zeit für uns, einen genaueren Blick auf den Koalitionsvertrag samt neuer Regierung zu werfen. Was wurde vereinbart – und was fehlt? Und vor allem: Was bedeutet das für Familien, Alleinerziehende und Frauen?
Kinder, Geld & Steuern: Ein paar Lichtblicke, viele Fragezeichen
Zunächst das Positive: Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende soll erhöht werden. Auch das Kindergeld ist Thema: dieses soll künftig nur zur Hälfte auf den Unterhaltsvorschuss angerechnet werden, das bedeutet ein Plus für Alleinerziehende. Neu ist zudem: Wer keinen Unterhalt zahlt, soll härter bestraft werden, beispielsweise durch Führerscheinentzug. Für Familien mit kleinen und mittleren Einkommen verspricht die Regierung steuerliche Entlastungen – doch auch hier bleibt unklar: Wie genau?
Erfreulich für viele Arbeitnehmerinnen*: Überstundenzuschläge sollen künftig steuerfrei sein – allerdings nur in tarifgebundenen Jobs. Gleichzeitig soll der Mindestlohn auf 15 Euro steigen – eine spürbare Verbesserung für viele Alleinerziehende im Niedriglohnbereich.
Zukunftsversprechen und versteckte Risiken
Ein spannender, neuer Baustein: das sogenannte Kinderdepot. Der Staat will jedem Kind im Alter von 6 bis 18 Jahren 10 € monatlich in ein Fondsdepot einzahlen – vorausgesetzt, es besucht eine Bildungseinrichtung in Deutschland. Ein Schritt in Richtung Chancengleichheit und gegen Altersarmut? Vielleicht – aber eine langfristige Wirkung ist davon abhängig, dass die Menschen über genug finanzielle Bildung verfügen, um auf diesem Anreiz aufzubauen. Und davon ist leider nichts zu lesen; die nationale Finanzbildungsstrategie der letzten Bundesregierung wird im neuen Koalitionsvertrag nicht erwähnt.
Für Selbstständige wird es ernst: Wer keinem Alterssicherungssystem angehört, soll künftig verpflichtend in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen müssen. Rürup-Verträge könnten entfallen. Wer eh plant, sich selbstständig zu machen, sollte das eventuell vorziehen und/oder sich beraten lassen, um noch die Wahl zu haben – am besten in einer unabhängigen Honorarberatung, ganz ohne Provisionsdruck.
Auch die Aktivrente wird neu gedacht: Wer freiwillig über das gesetzliche Renteneintrittsalter hinaus arbeitet, kann bis zu 2.000 € monatlich steuerfrei dazuverdienen. Das ist ein interessanter Anreiz, aber auch ein klares Zeichen, dass der Regierung bewusst ist: Die Rente reicht für viele Menschen nicht aus und es ist notwendig, hinzuzuverdienen. Diese Option denkt aber z. B. kranke Menschen nicht mit. Von einer echten Rentenreform ist leider ebenfalls kein Wort zu lesen.
Familienzeit: Viel versprochen, wenig konkretisiert
Das Elterngeld soll modernisiert werden: mehr Flexibilität, bessere Lohnersatzraten, Ausweitung auf Pflegeeltern und eine Einkommensgrenze, die wieder steigen soll. Das klingt gut – aber konkrete Modelle fehlen noch. Immerhin: Der Mutterschutz für Selbstständige ist ein lang überfälliger Schritt und nun Teil des Vertrags.
Die Koalitionsparteien wollen zudem die Arbeitszeitregeln flexibilisieren, indem die Möglichkeit einer wöchentlichen anstatt einer täglichen Höchstarbeitszeit eingeführt werden soll. Wie das konkret aussehen kann, dazu findet sich nichts im Koalitionsvertrag.
Wermutstropfen & blinde Flecken
Zwei große Kritikpunkte stechen hervor: Der Paragraf § 218 bleibt unangetastet – und damit auch das Strafrecht rund um Schwangerschaftsabbrüche. Und: Das Ehegattensplitting bleibt bestehen – eine Steuerregelung, die Alleinerziehende systematisch benachteiligt.
Auch bei der Kapitalertrags- und Vermögenssteuer bleibt es auffällig still. Zwar war eine Erhöhung im SPD-Wahlprogramm vorgesehen, im Vertrag selbst ist davon nichts zu lesen – was nicht heißt, dass es vom Tisch ist.
Das Wort „Klimakrise“ taucht nicht einmal im gesamten Koalitionsvertrag auf, auch das ist enorm enttäuschend.
Das Who is who der neuen Regierung
Die Ministerinnenposten der CDU standen schnell fest, nun hat die SPD am 5. Mai ihre Posten nachgelegt, sodass bekannt ist, wer die Köpfe der neuen Regierung sein werden. Die CDU erhält sechs Ministerinnenposten samt Kanzleramt, davon sind drei Posten mit Frauen besetzt. Die CSU wird über drei Ministerinnenposten verfügen (einer davon ist mit einer Frau besetzt). Die SPD hat den Vorsitz von sieben Ministerien, vier davon werden von Frauen geleitet.
Die neue Regierung verspricht viel – besonders für Familien, Erwerbstätige und Selbstständige. Doch wie so oft steckt der Teufel im Detail. Viele Vorhaben bleiben vage, entscheidende Hebel wie das Ehegattensplitting, die Rente oder eine echte Finanzbildungsstrategie bleiben unangetastet. Marcel Fratzscher geht in seiner Kolumne sogar so weit, den Koalitionsvertrag als riskant zu bezeichnen riskant für die Demokratie. Wer auf einen echten Aufbruch für Alleinerziehende und mehr Gleichstellung gehofft hat, wird sich wohl auch in dieser Legislaturperiode wieder selbst lautstark einbringen müssen. Let’s get loud! 🔥
* Wegen der besseren Lesbarkeit benutzen wir nur die weibliche Form. Alle Menschen sind explizit mitgemeint.
Bezeichnend finde ich den Begriff “Frühstart-Rente”. Anstatt anzufangen, über Investieren (denn das ist ja im der Tat gemeint) nachzudenken und das auch so zu bezeichnen, sollen schon Kinder und deren Eltern über Renten nachdenken. Meines Erachtens sagt die Wortwahl fiel über das gestoerte Verhältnis zu Aktien aus. Es ist noch viel Aufklaerungsarbeit zu tun. Nur Mut, Claudia.
Das ist interessant! Danke für diese Perspektive, darüber hatte ich noch gar nicht nachgedacht. Ja, wahrscheinlich hast du recht. Sehr bezeichnend!